Wenn wir im Kloster einen Retreat halten, beginnen wir ihn mit der Zufluchtnahme und dem Rezitieren der Bodhisattva Gelübde mit dem Wunsch, dass das Verdienst und der Segen unserer Übung allen Wesen helfen möge, Buddha’s Weg zu vollenden, das Anhaften am Selbst aufzugeben und wirklich in die Welt der Leere hereinzukommen. Das ist der Grund, warum wir erst das Gelübde aussprechen, allen Wesen zum Erwachen verhelfen zu wollen, und danach mit der Übung der sitzenden Meditation weitermachen.
Was wird “gesetzt”, wenn wir sitzende Meditation (Zazen) üben? Es geht darum, “das Herz zu setzen.” Sitzende Meditation bedeutet, “das Herz, den Geist zu setzen.” Welches Herz “setzen” wir ? Welches Herz, welcher Geist benötigt noch sitzende Meditation? Unser Herz, unser Geist, die gewöhnlicherweise so voll von Dingen und Vorstellungen, von ständigen Illusionen, sind, dass wir unsere Tage ganz benommen und ohne jegliche Klarheit verbringen.
Wir benutzen die Zeit der sitzenden Meditation dazu, unser Bewusstsein zu erkennen und zu realisieren, dass seine Essenz leer und seine ursprüngliche Natur das Licht der Weisheit ist, das alles durchdringt. Wenn wir daher Chan Meditation praktizieren, müssen wir entdecken, dass unsere Essenz leer und unsere Natur leuchtend ist. Leuchten bedeutet Klarheit des Bewusstseins. Wenn wir uns konzentrieren, konzentrieren wir uns auf die Leere und die Klarheit.
In unserem täglichen Leben zuhause sind wir noch im Rad des Samsara (des Entstehens und Vergehens) gefangen, und in einem Meer von beschäftigten Leuten daher treibend, arbeiten wir den ganzen Tag hart, um unser Leben zu bestreiten, ohne den wahren Wert des Lebens finden zu können. Aber jetzt haben wir die kostbare Gelegenheit, hierher zu kommen und an einem Retreat teilzunehmen, unser beschäftigtes Leben zuhause hinter uns zu lassen und allmählich einen offenen Raum zu erschließen, in dem wir das wahre Leben und den Ursprung des Lebens finden können.
Bemühen wir uns um die Übung, um das Erwachen. Obwohl unsere Angewohnheiten uns noch nicht loslassen, geben wir nicht auf oder verschwenden unsere Tage. Nutzt die Zeit gut für eure Übung, und für das Lesen der Schriften, da das Lesen der Schriften uns hilft, unsere angestammten Gewohnheiten aufzugeben. Die Emotionen und Verwicklungen des Familienlebens in diesem reinen Raum hinter uns lassen zu können hilft uns dabei, unsere Gefühle zu klären und sie in barmherzige Liebe zu verwandeln. Wenn wir es lernen, unsere selbst-bezogenen Gefühle ganz zu überwinden, entwickeln wir das Mitgefühl, die Liebe, die Freude und die Gelassenheit des Buddha.
In diesem Prozess lernen wir, unsere Übung immer tiefer zu verstehen; wir lernen es loszulassen und die Freiheit des Ablassens von der Welt der Formen zu erleben. Unser jährlicher Frühjahrsretreat gibt jedem die Chance, in der Erkenntnis der Leere zu wachsen, irreführende Leidenschaften aufzugeben, die Tatsache von Leben und Tod zu durchschauen und den Bodhi Geist zum Nutzen aller Wesen zu entwickeln. Dies ist der Ort, den wir gewählt haben, der Ort des Erwachens. Schätzen wir diese Gelegenheit und begreifen wir ganz klar, dass uns jede Minute und jede Sekunde einen entscheidenden Moment von Leben und Tod präsentiert. Geben wir uns daher Mühe mit der Übung der vier Schritte. Die vier Schritte der Friedensmeditation sind eine Brücke, die unser Herz nachhause zurückkehren lässt. Überqueren wir sie mit Achtsamkeit und in innerem Frieden.
Dharma Master Hsin Tao
(übersetzt von Maria Reis Habito)