Chan Übung ist das Schauen des Herzens
Bei der Chan Übung dreht es sich hauptsächlich darum, Herz und Geist sehen zu können. Es geht nicht darum, in irgendeine meditative Trance zu geraten. Das brauchen wir in keinerlei Hinsicht.
In den vier Formen der Geburt und den neun Bereichen[i] führt jeder einzelne Gedanke zur Wiedergeburt. Es gibt keinen einzigen Gedanken, der nicht zu einem Ort der Wiedergeburt wird, und es gibt keinen einzigen Ort, an dem eure Gedanken verweilen sollten. Wenn ihr daher frei von Wiedergeburt sein wollt, müsst ihr euer Herz entdecken.
Chan ist nicht irgendeine Theorie, sondern nichts anderes als “der Punkt, an dem alle Aktivitäten des Geistes ausgelöscht sind.” Wenn der Geist den Punkt erreicht, an dem er nicht mehr in Aktion tritt, bedeutet das, dass er nach Hause zurückgekehrt ist. Erstrebe nicht Dinge, die nicht das Herz sind, sondern bemühe dich ernsthaft um deine Übung. Verliere dich nicht in rationalem Wissen, da ein solches Wissen im Chan nutzlos ist. Du musst “alle Worte und Begriffe” hinter dir lassen, was nichts anderes bedeutet als: “der Punkt, an dem alle Aktivitäten des Geistes ausgelöscht sind.” Wirf dich nicht ständig in die Wiedergeburt, sondern in die Methode. Was bedeutet Methode? Methode bedeutet, unseren Geist zu läutern, ihn erfrischt, unbegrenzt und in Frieden sein zu lassen, so dass er sublim wird.
Das Ziel der Chan Übung ist es, unser ursprüngliches Gesicht zu sehen. Buddha Shakyamuni sagte: “Ich habe den Schatz des wahren Dharma Auges, das wunderbare Herz des Nirvana, die wahre formlose Form.” Die wahre Form ist formlos, und daher lasst uns die Formlosigkeit benutzen, um die wahre Form zu finden, und die wahre Form dazu, alle Unterschiede zu umfangen.
Was ist unser ursprüngliches Gesicht? Was sind wir, bevor unsere Eltern uns in die Welt bringen, bevor dieses Gebilde, der Körper, geformt worden ist? Dieser Körper kommt durch das Karma zustande, er ist nicht unser ursprüngliches Gesicht. Unser ursprüngliches Gesicht kann nicht unter den Phänomenen der Bereiche der Wiedergeburt gefunden werden, und solange wir noch in der Welt der Phänomene feststecken, werden wir nicht in der Lage sein, die wahre Form zu sehen. Solange wir die wahre Form noch nicht gefunden haben, können wir die Welt der Unterschiede nicht hinter uns lassen, und wenn wir die Welt der Unterschiede nicht hinter uns lassen können, wird unser Geist viele Dinge produzieren. Wo es eine Form gibt, steckt der Geist (dahinter).
Wenn Du Chan übst, richte deinen Geist nicht auf dieses oder jenes beim Sitzen. Denke nicht ständig über die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft nach. Diese drei Zeitabschnitte sind ungreifbar – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind zeitlos. Was sollen wir tun? “Ursprünglich gibt es noch nicht einmal ein einziges Ding. Wo sollte sich irgendein Staub ansetzen?” Ursprünglich gibt es noch nicht einmal ein einziges Ding – weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart, noch in der Zukunft. Diese drei Geisteszustände sind ungreifbar, und mit dieser Realisierung erscheint unser ursprüngliches Gesicht ganz von selbst. Also mach nicht so viele Knoten, wenn du meditierst, sondern lass jeden Knoten sich im Licht dieser Ungreifbarkeit auflösen.
Dharma Master Hsin Tao (übersetzt von Maria Reis Habito)
[i] Die vier Geburten: 1. Geburt von einem Ei – wie ein Vogel, Fisch, oder Reptil. 2. Geburt von einer Gebärmutter – wie Menschen und Säugetiere. 3. Geburt von Feuchtigkeit – Insekten mit mikroskopisch kleinen Eiern. 4. Geburt durch Verwandlung - wunderbare Materialisierung – wie bei den Devas (Gottheiten).
Die neun Bereiche: Neun Bereiche des Bewusstseins : Die Welt und 6 Deva Bereiche der Begierde, der Bereich des Nicht-Denkens und der Bereich jenseits von Denken und Nicht-Denken.